Lecture Series – Medical Humanities: Culture, Sciences, Media
Interdisciplinary lecture series (summer semester 2020)
Organised by Univ.-Prof. Monika Pietrzak-Franger in association with the Commission for the History and Philosophy of Sciences, Austrian Academy of Sciences, Working Group History of Medicine/Medical Humanities (assistance Alina Lange)
In the midst of a pandemic of unprecedented scale, what is the role of Medical Humanities?
The Corona-outbreak touches on our most visceral fears, fears of our own mortality and bodily collapse. But it also evokes visions of social unrest, poses a potential threat to liberty, and sparks anxieties about economic breakdown. It, too, aggravates (global and local) social inequalities and raises a number of ethical questions – questions that fall outside the narrow scope of bio-medicine. This is where the humanities step in. With medical professionals doing overtime to attend to the sick, ethical and social problems remain largely unaddressed and tales of individual suffering remain untold. But diseases affect human beings. What is more: The way we talk about Corona matters. Our narratives have far-reaching consequences. Attending to the ways we conceptualise the virus, including those who suffer from it, and learning from the ways past societies have dealt with disease are among the most important challenges the Medical Humanities have to tackle right now.
Medical Humanities can try to provide answers to such questions like: What are the cultural, social, political, etc. effects of epidemics? How are pandemics linked to processes of globalization? What ethical and humanitarian issues do such crises throw into strong relief? What cultural practices are born in times like these? How can arts, media, literature, music etc. provide temporary relief? How can they help us come to terms with these developments?
Medical Humanities is an interdisciplinary field that spans medical sciences, arts, literary, media, and cultural studies as well as drawing on anthropology, geography, history, philosophy, ethics, sociology, etc. Its various strands are devoted to critical studies of culture, while, often, drawing particular attention to the ways in which medical students can be better prepared for future work with patients, and patients better communicate and deal with their ailments. Their aim is to, a.o. understand how we conceive of health and illness, how these concepts differ between cultures and historical periods, and what social and political effects they have. Whereas, often, Medical Humanities courses concentrate on literature and written narratives, this lecture series goes beyond such a narrow focus to include a variety of media/arts and sciences. What is more, it attempts to expand the often limiting, strict emphasis on Anglo/American studies and include a diversity of cultures. The cultural studies’ perspective that underlies these endeavours spotlights medicine in/as culture, along with the variety of artistic, scientific, and social practices it is engaged in; it also highlights a plethora of historically and culturally specific ideologies, power relations, and daily routines that medicine (in)forms and is (in)formed by. This lecture series brings together experts who will throw light on medicine and its uses of arts and humanities and the diverse disciplines’ perspectives on medical cultures.
The topics we discuss are:
Health & Space; Artistic Participation; Health Education; Transculturality; Mental Health; Medical Comics
1) Was sind Medical Humanities / Worum geht es in der LV?
Die Medical Humanities sind ein interdisziplinäres Arbeitsfeld an der Schnittstelle zwischen u.a. Medizin, Kultur(wissenschaften), Ethik, und den Künsten. Dabei widmen sie sich den individuellen Erfahrungen von Kranken und Ärzten genauso wie der Frage nach der Darstellung von Gesundheit und Krankheit (in verschiedensten Medien), den Machtverhältnissen im Medizinbetrieb, und den zugrundeliegenden Ideologien und kulturellen Praktiken. Auch die Sprache und Dramaturgie der Medien spielen in dem Zusammenhang eine große Rolle. Was sind zum Beispiel wiederkehrende Bilder einer Pandemie in medialen Darstellungen und welche Stereotypen generieren sie?
Neben der Bereitstellung von theoretischem Vokabular und Werkzeugen, kommt den Medical Humanities dabei auch eine ethische Funktion zu. Beispielsweise können sie helfen, systematische Diskriminierungen und Benachteiligungen aufzudecken. Die Medical Humanities stellen den Menschen in den Mittelpunkt. Dabei wird er allerdings als Teil eines komplexen sozialen und kulturellen Netzwerks gesehen. Die spezifischen Praktiken und Ansichten einer Kultur im Bezug zu Krankheit und Gesundheit – all das ist Teil eines komplexen Beziehungs- und Abhängigkeitssystems, das in der Vorlesung betrachtet wird.
Nicht nur machen die Medical Humanities es sich zum Ziel, im medizinischen Personal ein gestärktes Bewusstsein für individuelles Leiden zu schaffen. Sie bemühen sich auch, Patienten eine Stimme und Ausdrucksmöglichkeit zu geben und stellen dabei besonders die Rolle der (narrativen, bildenden, und performativen (etc.)) Künste heraus. Auch den sozialen Medien kommt hier eine immer wichtigere Funktion zu. Ziel der Ringvorlesung ist es, diesen unterschiedlichen Facetten und Blickwinkeln der Medical Humanities gerecht zu werden. Dabei kommt eine Vielzahl von Sprechern unterschiedlicher Backgrounds zu Wort.
Die Ringvorlesung „Medical Humanities: Bodies, Sciences, Media“ gibt einen Einblick in das Feld. Die Mitwirkenden sind Experten in Kultur-, und Medienwissenschaften, Literaturwissenschaften, der Geschichte, Soziologie und Anthropologie, den Theaterwissenschaften, den angewandten Künsten, und, nicht zuletzt, in der Medizin und Medizindidaktik. Obwohl in der Anglistik/Amerikanistik eingeordnet, ist die Ringvorlesung nicht nur interdisziplinär, sondern auch interkulturell angelegt; mit Experten aus Deutschland, Österreich und UK. Gleichzeitig versucht sie, die in den Medical Humanities verbreitete Eurozentriertheit zu umgehen und den Blick auch auf nicht-westliche Kulturen zu werfen.
2) Inwiefern spielt das Thema COVID-19 in den Medical Humanities/ in der LV eine Rolle?
Die aktuelle Situation bietet, trotz und gerade wegen aller Dramatik, die Möglichkeit, Medical Humanities in der Praxis zu erleben. Im Rahmen der Vorlesungsreihe drängt sich dabei immer wieder die Frage auf, welche Rolle den Medical Humanities in Zeiten globaler Pandemien zukommt. Neben tiefsitzenden viszeralen Ängsten, die das Corona-Virus schürt, rücken dabei immer wieder ethische und soziale Fragen in den Mittelpunkt. Soziale Ungleichheiten, Einschränkung fundamentaler Grundrechte, drohender Nationalismus und die Angst vor einem möglichen ökonomischen Kollaps sind nur einige der Themen, die in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen. Auch auf globaler Ebene lassen sich Entwicklungen beobachten, die es zu benennen gilt.
Wie lassen sich beispielsweise rassistische Übergriffe auf Asiaten auf mediale Darstellungen von Covid-19 als „China-Virus“ zurückführen? Welche Rolle haben die Medien generell bei der Generierung von Wissen, Ansichten, und Verhaltensweisen in Bezug auf die Krankheit? Dabei spielen nicht nur Sprache, sondern auch Bildsprache, Farbwahl, Visualisierungen und Layout eine Rolle.
Wie beeinflussen Politik und Wissenschaft die öffentliche Meinung? Wenn beispielsweise der Pariser Polizeichef Lallement in der Presse verkündet, dass die Corona-Neuinfizierten diejenigen seien, die die Ausgangsbeschränkungen missachtet haben, lässt sich erahnen, wie schnell sich Mythen verbreiten und wie leicht auch heute noch Krankheit moralisch aufgeladen werden kann.
Hier treten die Medical Humanities auf den Plan. Während die Medizin sich nun vornehmlich der Erforschung und den Maßnahmen zur Bekämpfung des Virus widmen muss, befassen sich die Medical Humanities mit ethischen Fragen und den sozialen und kulturellen Folgen der Epidemie und nehmen sich Zeit, individuelles und subjektives Leiden zu beleuchten. Den neuen Medien kommt hierbei eine besondere Rolle zu. In Zeiten von social/physical distancing bieten sie dem Einzelnen ganz neue Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen und sich kreativ auszudrücken. Dazu gehören auch neue Formen der Solidarität und des Zusammenseins, die das Internet ermöglicht.
Die Vorlesung behandelt diese Themen direkt und indirekt, indem sie sich vor Augen führt, dass die Art und Weise, wie wir Krankheiten konzeptualisieren, wie wir darüber sprechen, und in welchen Medien wir sie verhandeln, konkrete Auswirkungen auf unsere Lebenswirklichkeit hat. Dazu lohnt es sich, auch immer den Blick zurück zu werfen: denn vom Umgang früherer Gesellschaften mit Epidemien und Krankheiten können wir viel lernen. Die Vorlesung soll also auch ein Bewusstsein schaffen für unsere Vorstellungen von den Ursprüngen und der Übertragungswegen ansteckender Krankheiten, und für die Bilder und Begriffe, die wir verwenden, um über diese zu sprechen.